19.08.21 Lüneburg ist ein Traum, achtzig Kilometer mit dem Tastdem nicht.

Schlafplatz bei Lüneburg

NDR Dreh am Morgen

Nach dem wir die Nacht in Yogaähnlichen Positionen verbracht hatten, da der Untergrund leider alles andere als eben war, mussten wir wieder vor dem Ausschlafen aufstehen. Diesmal hatte sich jemand vom NDR angekündigt, der gerne auch den Abbau der Zelte filmen wollte. Unsere Motivation die Zelte zu verlassen hielt sich in Grenzen, da es mal wieder regnete. Also schnell noch was kleines essen, Zähne putzen und schon mal alles andere einpacken, dass es dann trotzdem relativ schnell geht. Ich war noch im Zelt mit meinem Schlafsack beschäftig, da kam schon die Filmerin und musste, wie damals schon der Kollege in Torgau, alles alleine bewältigen. Ton kontrollieren, Bilder aufzeichnen und Interview arrangieren und das alles im Regen. Die Chemie mit Ihr stimmte sofort und diesmal wurden wir in keinster Weise aufgehalten, konnten einfach unserem Ablauf folgen. Sie war einfach dabei und nebenbei bemerkt ist auch ein guter Beitrag daraus geworden. Mit nassen Zelten und klammen Sachen fuhren wir die letzten Kilometer bis in die Lüneburger Altstadt. Einen kurzen Stopp gönnten wir uns nur an einem kleinen Imbisstand, mit einer jungen Frau, mit der wir uns währen unseres Frühstücks, bestehend aus Lasagne und Nudeln, über Berufe und Perspektiven unterhielten.

Leckeres gibt es oft auch am Wegesrand

Nicht ganz pünktlich rollten wir in die Innenstadt ein und sogar der Regen hatte sich, bis auf gelegentlichen Niesel, verzogen. Wir bauten schnell die Sitzbank ans Klavier und überwältigt von der Architektur Lüneburgs, fuhren wir auf den Marktplatz. Diesmal saß ich auf dem Tandem und Andreas spielte während der Fahrt am Klavier. Sofort kamen Leute, applaudierten, gaben uns den ein oder anderen Schein in den Hut und kauften CDs.

In Lüneburger

Dreharbeiten mit dem NDR auf dem Marktplatz von Lüneburg.

Natürlich waren auch wieder Fotographen und Reporter vor Ort und nach dem alle ihr Material hatten und auch Frau Schiller vom NDR alles im Kasten hatte, wollten wir eine kleine Stadtrundfahrt versuchen.

Frau Schiller vom NDR mit Be-Flügelt vor der Kamera

Gerade wollten wir los, da kam noch eine liebe Frau, die uns zu Kuchen und Cappuccino einlud und mit der wir uns auch noch eine Weile unterhielten.

Andreas war derweil mal für kleine Jungs und kam mit dem „Klomann“ ins Gespräch, für den er unbedingt noch spielen wollte, weil er super sympathisch war und ein kleines Konzert mal wirklich nötig hätte. Gesagt getan und er, eigentlich schon ein Rentner, der aber so gerne mit Leuten schnackt, freute sich auch wirklich über die Überraschung.

Eine Gasse in Lüneburg

Die Fahrt durch die Gassen der romantischen Innenstadt von Lüneburg war umwerfend schön! Andreas und ich wechselten uns mit dem Fahren und spielen ab und konnten die Blicke, das Lächeln und die Schönheit dieser Stadt auf unterschiedliche Weise genießen. Wer noch nicht dort war sollte das nachholen, ich werde auf jeden Fall wieder hinfahren, wenn auch auf bequemere Art und Weise 😉.

Nächstes sportliches Ziel: Hamburg

Entlang der Ilmenau wieder zur Elbe

Nachdem wir von etlich Leuten wirklich nützliche Tips bekommen hatten, wie wir am besten wieder zur Elbe gelangen, bzw. nach Hamburg, fuhren wir weiter und weiter und weiter. Wenn uns jetzt nicht wieder irgendeine Panne dazwischen käme, so wollten wir heute Hamburg erreichen. Dort erwartete uns nämlich schon eine Freundin mit mit warmen Essen in Aussicht und einer warmen Dusche, nebst kuscheligem Bett: die großen Freuden des Anhängerreisenden 😉.

Natürlich mal wieder Regen 😅

Natürlich fing es zwischendurch auch wieder an zu regnen, sonst hätten wir uns ja auch gelangweilt und vielleicht zu wenig Motivation gehabt, unser Ziel wirklich zu erreichen. Es wurde immer später und die Knie und der Nacken machten sich auch irgendwann wieder bemerkbar und am allerschlimmsten: Unser Hintern! Wir wussten immer weniger, wie wir noch sitzen sollen und nur im Stehen fahren ging leider auch nicht. Was uns half, war die Tatsache, dass wir gut vorankamen und die schöne Landschaft, die ein bisschen ablenkte. Auch lustige Ortsschilder trugen ungemein zur Motivation bei. Over? Noch lange nicht! 😂

Nach sechzig Kilometern noch nicht „Over“

In Bullenhagen gab es dann eigentlich nur Schafe.

Das Ortsschild von Bullenhagen, umringt von Schafen.

Ja, ich weiß, der Humor lässt zu wünschen übrig, aber die Psyche sucht dich halt jeden Strohhalm, die sie bekommen kann, um sich bei Laune zu halten.

Wir erreichen Hamburg und haben dennoch einiges vor uns.

Welches Straßenschild unsere Laune dann richtig hob, war das von Hamburg. Jippi, wir hatten immerhin die Stadtgrenze erreicht, auch wenn es von dort noch einmal über fünfzehn Kilometer werden sollten, ehe wir in den Maienweg einfahren konnten.

Stadtschild von Hamburg

Das wirklich anstrengende an Stadtfahrten mit dem Tastdem, sind die vielen stop and Go Situationen. Jede Ampel, jede kleine Bordsteinkante zwingt uns zum Anhalten und anschließenden Beschleunigen, was sich wie ein Stundenlanges Intervalltraining anfühlt, vor allem nach schon siebzig gefahrenen Kilometern.

Endlich, um 23:00 Uhr kamen wir vollkommen erledigt an. Unsere längste Etappe von achtzig Kilometern war geschafft und endlich, endlich auch ohne technische Vorkommnisse. Halleluja!

Unter den anderen Fahrrädern fiel das Tastdem kaum auf.

Wir schlossen unser Vehikel gut ab und hofften, dass es unter den ganzen anderen Fahrrädern gar nicht so auffällt und vor allem das Klavier unbehelligt bleibt. Nach dem wir alles lose in die Wohnung meiner Freunde getragen hatten, machten wir uns gleich über die Nudeln her und genossen eine warme Dusche. Wie wir es schafften, beim Essen zu sitzen, weiß ich nicht mehr, nur dass ich diese Nacht nicht auf dem Rücken schlafen konnte. Alt wurden wir nicht mehr an diesem Abend und schliefen den Schlaf der Erschöpfung.

Nach achtzig Kilometern Fahrt, sieht Andreas nicht mehr ganz frisch aus.

18.08.21 „Von Dömitz bis vor Lüneburg“ oder „Brennnesselsmoothie statt Bier und Schnaps“

Ein hoffentlich letztes Mal mit dem Auto

Eine Minute nach ihrer Abfahrt kam der FAZ-Journalist an und wir hätten so tun können, als wären wir nur so und nicht anders unterwegs gewesen. Trotzdem erzählten wir ihm die Geschichte der letzten drei Tag, Ehrlichkeit währt am längsten und so hatten wir ein schnelles, regnerisches, aber effektives Shooting.

Ein weiterer Termin holte uns früh aus den Federn. Ein FAZ-Journalist wollte uns bei Teldau treffen, da dies der nächste Ort seines Einzugsgebiets war. Win und Lin hatten auch diesmal schon für die Verpflegung gesorgt und wir fragten uns, wie viel Schlaf die beiden überhaupt in der Zeit abbekommen hatten, während wir bei ihnen waren. Auch Remo stand schon fahrbereit auf der Matte. Nach einem schnellen Frühstück verstauten wir hoffentlich zum letzten Mal die Sachen auf dem Anhänger und fuhren los. Unterwegs meldete sich der Reporter von der FAZ und aufgrund von Zeitdruck seinerseits vereinbarten wir dann doch einen Ort in der Mitte. Der neue Treffpunkt sollte Dömitz auf dem Deich sein. Remo drückte noch mal ordentlich auf die Tube und ich versuchte während der Fahrt noch den gestrigen Tag zu rekapitulieren, was leider nicht recht klappen wollte. Wir erreichten zuerst den Treffpunkt, luden in Windeseile alles ab und beluden das Tastdem zur Weiterfahrt. In Rekordzeit war alles fertig und wir verabschiedeten uns von den unglaublich lieben Dreien.

Von Dömitz nach Hitzeacker

Bei eigentlich perfektem Reisewetter, bewölkt, Temperaturen von 18 Grad und leichtem Wind von vorn, kamen wir gut voran. Wir versuchten es noch einmal mit einem Drohnenflug, um schöne Bilder einzufangen und kamen gegen Mittag in Hitzeacker an. Dort kannten wir uns ganz gut aus, da wir uns in dem Ort vor drei Jahren in einer Ferienwohnung eingesperrt hatten, um ein Kindermusical zu schreiben. Wir bauten den Hänger von der kompakten Schnellversion zur mobilen Bühne um und fuhren so durch das wunderschöne Städtchen. Wir hatten Heißhunger auf Nudeln und steuerten den einzigen Italiener des Ortes an. Dort angekommen fuhren wir musizierend an den Gästen vorbei und bevor wir halten konnten, kam der Inhaber erbost ans Fenster, brüllte etwas heraus, was nicht zu verstehen war. Wir stellten schon alles ab, um uns zu setzten, da kam er heraus und machte uns unhöflich zu verstehen, dass das hier keine Straße sei und wir hier verschwinden sollten. Ok, krass!!! Diese Sorte von Menschen gehört dann eben auch irgendwie zum Leben dazu, auch wenn sie zum Glück nur einen kleinen Prozentsatz ausmachen. Also, die eigene Würde bewahren, auf Nudeln verzichten und unser Geld woanders ausgeben, wo wir erwünscht sind und mit einem guten Gefühl essen können.

Eine Pizza befriedigte dann auch ganz gut unseren Hunger und ich zog mich für eine halbe Stunde auf die Toilette zurück, da ich dort wenigsten mal die Ruhe fand, den gestrigen Blogbeitrag etwas weiterzuschreiten. Andreas versuchte mich derweil mit Stücken rauszulocken, die wir normalerweise vierhändig spielen.

Wieder draußen gab es ein überraschendes Wiedersehen mit Silke, einer Tanzlehrerin aus Halle, für die ich vor vielen Jahren ein Tanztheaterstück musikalisch begleitet hatte. Auch sie ist zum Glück ganz gut durch die Coronazeit gekommen und gibt nicht auf. Während ich mit Silke schnatterte, improvisierte Andreas mit einer sehr alternativ aussehenden Frau, die uns überredete auf unserem Weg Richtung Lüneburg bei ihr zu halten und ihrer Freundin ein Geburtstagsständchen zu spielen. Da es wirklich auf dem Weg lag und sie uns zwar kein Bier oder Schnaps wie in Tschechien anbieten könne, dafür aber Brennnesselsmoothie, beschlossen wir, zuzusagen. Das klang einfach zu verrückt, um es auszuschlagen. Eine Stunde später waren wir in Göhrde und führen spielend auf den Hof, wo wir schon freudig erwartet wurden, vom Hund mal abgesehen. Dem waren wir anfangs etwas suspekt. Natürlich spielten wir für das Geburtstagskind, bekamen wirklich den versprochenen Smoothie, der super lecker schmeckte und improvisierten zusammen mit den lieben Leuten, die noch eine Geige und zwei Gitarren dazu holten. Eine der Frauen sang noch zwei eigene Lieder, die mir ausgesprochen gut gefielen. Eins davon war ein wunderbares Lied, das alles Gute und Positive aufzählte, das man in sich hat und einen zum glücklichen Menschen machen kann. Ein perfektes Kinderschlaflied oder eben Geburtstagslied. So schön, dass ich es unbedingt lernen möchte.

Angenehme Runde auf einem Hof in Göhrde

Wir mussten aufpassen, nicht die Zeit zu vergessen, denn wir hatten noch ein ziemlich großes Stück Weg vor uns und radelten wieder weiter. Weg von entspannter Atmosphäre, der Aussicht auf ein Lagerfeuer und mehr Brennnesselsmoothie.

Wirklich wahr, das Wendland ist landschaftlich ein wahrer Traum. So viele niedliche und süße Dörfer mit alten, gut gepflegten Fachwerkhäusern und vielen alten Laubbäumen, die wie gute Wächter überall am Wegrand stehen. Dann die gut ausgebauten Fahrradwege und, naja, die tolle Hügellandschaft, die zwar optisch wunderschön aussieht, mit zweihundertfünfzig Kilogramm an der Kupplung aber durchaus sehr herausfordernd sein kann. Wir ließen aber nicht locker und bissen uns bis zehn Kilometer vor Lüneburg durch, wo wir mit schmerzendem Gesäß zwischen zwei Maisfeldern unsere Zelte aufschlugen und augenblicklich einschliefen.

Mitten in der Nacht beim Aufbau unserer Wohnstätte, kurz vor Lüneburg

17.08. Warten auf Anna und Dankestour durch Wittenberge

Wow, nach 5,5 Stunden Schlaf um 11:30 Uhr aufgestanden.

Der wunderbar gedeckte Frühstückstisch bei Lin und Win, unseren Gastgebern in Wittenberge

Wow, das Gefühl ausgeschlafen zu haben, auch wenn es nur fünfeinhalb Stunden waren, ist großartig! Was ein schönes Federbett doch ausmacht. Unglaublich, die weißen Hemden, die wir gestern Nacht noch dreckig in Wins Obhut gegeben hatten, wurden uns heute morgen nicht nur sauber, sondern tatsächlich sogar gebügelt wiedergegeben. Nach einem reichhaltigen Frühstücksbrunch bis 14:00 Uhr, den die beiden liebevoll schon vorbereitet hatten, wollten wir erst einmal eine kleine Dankestour machen für die Menschen, die geholfen haben, von Magdeburg hierher zu kommen. Das Klavier stand immer noch auf dem Anhänger, denn das Ersatzrad für den Anhänger hatten wir noch nicht und einen Ersatzmantel für die andere Seite auch noch nicht.

So fuhren wir mit dem Auto als erstes zu demjenigen, der den Hänger gesponsert hatte. Wir hielten zweihundert Meter vor dem Haus, stiegen auf den Anhänger zum Klavier und rollten den restlichen Weg spielender Weise zu der Familie, die schon auf uns wartete. Es war eine Überraschung im doppelten Sinn, denn voriges Jahr wollten sie zu unserem Konzert in die Schelfkirche kommen, das dann coronabedingt leider ausfielt. Um so größer war auch die Freude über unser kleines Konzert!

Die Lieben, die uns zur Rettung aus Magdeburg den Hänger ausgeliehen haben

16:00 Uhr: Minnesänger im 21. Jahrhundert ohne Gesang 😉

Der nächste Dank sollte Remo gelten, der einen ganz speziellen Wunsch hatte, den man nicht anders als süß und anrührend bezeichnen kann. Wir haben ja schon des öfteren Armor gespielt. Diesmal sollte es auf eine ganz neue Art sein. Remo hat sich schon seit einiger Zeit in eine Mitarbeiterin bei NETTO in Wittenberge verliebt, bisher aber nicht den Mut aufgebracht, sie anzusprechen. Nun sollten wir helfen, das zu ändern. Der Plan sah vor, sie nach draußen zu locken, wo wir dann mit dem Klavier stehen, spielen und dem guten Remo emotional, musikalisch unter Arme greifen würden. Leider stellte sich heraus, dass die gute Frau, dessen Namen er leider noch nicht weiß, Urlaub hatte. Trotzdem stellten wir uns auf den Parkplatz vor dem Einkaufsladen und verpackten Remos Liebesbotschaft in ein Video, das er ihr dann zukommen lassen kann, nebst einer CD von uns und zwei Freikarten. Wir wünschen ihm alles Gute und viel Erfolg 🍀

Bei der Liebeswerbung vor Netto in Wittenberge

Endlich ein Ersatzmantel, aber kein Erfolg uns einzuschiffen.

Remo fuhr uns noch zu den Fahrradläden dieser Stadt und beim zweiten hatten wir endlich, endlich Glück und sie hatten die Mäntel für die Räder, die wir für die Reperatur benötigten. Wir kauften gleich alle, die sie hatten (zwei). Inzwischen war klar, dass Anna mit dem Ersatzrad um ca. 20:00 Uhr da sein wird und wir hatten noch etwas Luft. Win hatte noch ein Treffen am Rathaus organisiert, zu dem wir heranfuhren. Leider fing es genau zu dieser Zeit an zu regnen und der Bürgermeister war gerade auch zu beschäftigt, um heraus zu kommen. Wir wiederum hatten keine Lust, ohne Rollwagen und Tragegurte, das Klavier ins Rathaus zu schleppen und so fuhren wir unverrichteter Dinge weiter zum Hafen, um dort unser Glück zu versuchen, doch noch eine Mitfahrgelegenheit auf dem Wasser zu bekommen.

Beim Hafen von Wittenberge

Im ganzen Hafen war niemand anzutreffen und nachdem Win sich auch telefonisch um unser Anliegen bemüht hatte, war klar, dass hier unser Ansinnen aussichtslos war. Eigentlich war auch die Idee von ihm, ein Konzert auf der gerade neu fertiggestellte Uferpromenade zu geben, sozusagen noch vor der Eröffnung derselben. Es war aber immer noch sehr nass und die Kälte und der Wind und unsere Erschöpfung hielten unsere Begeisterung für diese Idee im Zaum.

19:00 Ihr: Warten auf Anna und erfolgreiche Reparatur

Anna bei der späten Reparaturaktion in Wittenberge

Also fuhren wir wieder zu Win und Lin nach Hause, um dort auf Anna zu warten. Wir würden also heute wieder nicht weiterkommen. Das Gefühl war schon sehr ernüchternd. Uns blieb also wieder nur eine Wahl. Statt des Boots noch einmal vierzig Kilometer uns von dem großartigsten Chauffeur aller Zeiten, Remo, fahren zu lassen. Sogar einen weiteren freien Tag erkämpfte er sich bei seinem Arbeitgeber dafür.

Win und Lin hatten derweil schon für ein tolles Abendbrot gesorgt, das zwischen weiteren spannenden Lebenserfahrungen uns wunderbar das Warten auf Anna erleichterte. Kurz vor neun war sie dann da und nach einer Tasse Tee machten Anna und ich Teamwork und tauschten das Rad, den Mantel und versuchten noch das linke Rücklicht zu reparieren, woran wir leider scheiterten. Trotzdem war alles um 23:00 Uhr weiterfahrbereit und Anna fuhr gleich wieder zurück nach Hause. Uns fielen auch gleich darauf die Augen zu und ich scheiterte vor Müdigkeit, den Blog noch zu aktualisieren. Morgen sollte es wieder früh losgehen, um einen Reporter von der FAZ bei Dömitz zu treffen. Betet, dass es das letzte Mal sein wird, wo ein Auto zur Fortbewegung nötig ist und dass wir die restliche Strecke nur noch mit dem TASTDEM zurücklegen können.

16.08.21 Leck mich am A…. Stimmung

Unwissend im Landschaftsschutzgebiet gezeltet, kurz vorm Magdeburger Wasserkreuz

Es ist 9:30 Uhr und wir sind mental etwas am Ende. Wir fühlen uns körperlich nicht mehr so fit, wie noch vor drei Tagen. Der Schlafmangel, die Sonne und die körperliche Anstrengung laufen uns langsam aber sicher aus. Andreas hat Hals- und Kopfschmerzen, unsere Gesichter glühen und trotz dem wir literweise Wasser in uns reinkippen, sind unsere Lippen trocken und aufgesprungen. Alle Ideen und Versuche, die Strecke zwischen Magdeburg und Wittenberge elegant hinter uns zu lassen, ohne uns völlig kaputt zu machen und noch mehr in Zeitverzug zu geraten, sind bisher gescheitert. Wir haben sogar schon mit der Schifffahrtbehörde telefoniert, ob uns nicht ein Frachtschiff in dieser Richtung aufnehmen kann. Das wäre an sich kein Problem, aber gerade fahre da nichts, weil die Elbe zu wenig Wasser führt. Inwieweit das stimmt, können wir jetzt nicht sagen, aber auch das klappt nicht.

Zum Zerreißen gespannt

Ob ihr es glaubt oder nicht, aber wir haben unseren Termin mit der Kulturdezernentin von Magdeburg um 13:00 Uhr heute völlig vergessen, sitzen unter dem Wasserkreuz Magdeburg und müssen jetzt noch mal die fünfzehn Kilometer nach Magdeburg zurückradeln. Immerhin, ein Team von Radio SAW hat sich zu dem Treffen noch angekündigt und die Pressesprecherin der Stadt auch. Zusätzlich will sogar die Redakteurin vom gestrigen MDR-Team kommen und noch ein Foto für die DPA schießen.

Wasserbrücke vor der Elbüberquerung bei Magdeburg – Sehr beeindruckend!

Nach einigem Hin- und Herüberlegen, ob wir das nun machen oder einfach absagen und weiterfahren, entdeckten wir diese verheißungsvolle Stelle am Mantel des linken Rades unseres Anhängers. Ausschlaggebend für die Entscheidung, zurückzufahren und noch einmal in einem Fahrradladen unser Glück zu versuchen, um mit ruhigem Gewissen weiterfahren zu können. So ein platzender Reifen bei schneller Fahrt ist sicher nicht so lustig! Außerdem ist gestern auch noch eine Speiche gebrochen, juchuh.

Gebrochene Speiche

14:00 Uhr: Jetzt sitzen wir da, wo wir gestern schon waren, am Ulrichsplatz. Nur, dass wir in der Zwischenzeit über fünfunddreißig Kilometer zurückgelegt haben. Mal sehen, wie es weitergeht… Egal wie, heute Abend wollen wir in Wittenberge sein!

19:00 Uhr und immer noch in Magdeburg. Zitat Andreas: „Wir haben gerade einen ganz großen Hänger“

Verloren in Magdeburg und telefonieren nach Hilfe

Wir haben einen ganz großen Hänger! Das wird uns mehr und mehr bewusst. Nachdem wir die Kulturdezernentin von Magdeburg und die Leute von Radio SAW getroffen hatten, machten wir uns auf den direkten Weg zu einem großen Fahrradladen. Das Ergebnis: Leider ernüchternd. Sie hatten unseren Mantel nicht da, waren aber so lieb und telefonierten bei einigen Kollegen und Werkstätten durch, leider auch wiederum mit der traurigen Wahrheit. Es gibt in Magdeburg anscheinend nicht den Radmantel, den wir brauchen.

Vergeblicher Versuch, einen Ersatzmantel zu bekommen

In der Zwischenzeit ergab sich noch ein Termin. Mann, Mann, Mann… Noch ein Fotograf wollte Bilder von uns für zwei Zeitschriften machen. Wir fuhren also wieder zur Elbe und machten kurz vor dem einsetzenden Regen und stürmischen Wetter noch ein paar Fotos.

Jetzt reichte es uns endgültig, hier in Magdeburg zu versauern und wir beschlossen, wie schon gestern, die S-Bahn nach Wittenberge zu nehmen. Beim Bahnhof angekommen, gab es natürlich keinen ebenerdigen Zugang zum Gleis eins und der Fahrstuhl war zu klein für unseren Anhänger. Wir wollten schon alles abladen und einzeln zum Gleis bringen, da machte uns jemand darauf aufmerksam, dass Lastenanhänger seit eineinhalb Jahren nicht mehr von der Deutschen Bahn befördert werden und es auch keine Ausnahmen gibt. Hach, da kommt Freude auf! Entschuldigt den Zynismus, aber die Luft ist echt gerade raus.

Nach zweistündigem Herumtelefonieren, Abwarten, Weitertelefonieren, Absagen kassieren, Hoffnung schöpfen und Weitertelefonieren, gab es endlich ein Aufatmen. Wir kommen heute noch aus Magdeburg weg, auch wenn es erst 23:30 Uhr realisierbar ist und es leider nicht auf den eleganten Wegen des Wassers oder den Schienen funktioniert hat. Immerhin, diesmal kommt uns jemand mit einem Anhänger abholen, fährt von Witternberge gerade her und mit uns und Sack und Pack wieder zurück. Das ist echt ein großartiger Einsatz. Es sind sogar die gleichen, die uns ein Haus zum Übernachten angeboten haben und die wir uns nun noch mehr freuen, kennenzulernen.

Zuflucht vor Kälte und Nässe während des Wartens auf unsere Retter aus Wittenberge

Wir haben einen Unterschlupf, bis wir abgeholt oder vom Wachdienst hinausgebeten werden…
Nachts in Magdeburg, auf dem Weg zum Treffpunkt mit Win und Remo

Derweil sind wir in einem riesigen, leeren Flur untergekommen, solange bis der Wachdienst uns verscheucht. Hoffen wir, dass er noch lange auf sich warten lässt, denn hier ist es wenigstens warm und trocken und ich kann einmal in Ruhe den Blog weiterschreiben 😉.

Pünktlich, als wir gerade den Anruf unseres Retters erhalten hatten, dass er in zwanzig Minuten da ist, kam der Wachdienst rein: „So, raus hier!“ Das hätte ich mir persönlich etwas netter gewünscht, aber wie sollte er auch wissen, dass wir „Kulturpenner“ sind. Egal, es war trotzdem ein perfektes Timing und wir hatten dort immerhin vier Stunden unsere Ruhe.

00:30 Uhr alles ist verstaut und es geht nach Wittenberge

Wow, jetzt ist alles auf dem Anhänger verstaut. Win hat alles ihm Verfügbare in Bewegung gesetzt, um uns zu helfen. Sein Freund Remo ist gefahren, jemand anderes hat den Anhänger für den Anhänger gesponsert und seine liebe Frau hat sogar ein kleines Picknick mit Kaffee vorbereitet, das uns vor der Abfahrt noch Kraft gab.

Vor dem Magdeburger Hauptbahnhof mit Win, Remo und dem „Rettungswagen“

5:30 Uhr: Unglaublich, aber wahr. Wir haben eben gerade ein Konzert gegeben.

Es ist zu verrückt! Diese Reise ist einfach mehr als nur ein Abenteuer. Nach einer Autofahrt mit anregenden Gesprächen über Rilke, diverse Philosophen und anderen Dichtern und Denkern, wurden Picknicksachen samt einer Flasche Wein eingepackt und ein Journalist kontaktiert. Grund dafür war die verrückte Idee von Win, ein Nachtkonzert an der Elbe zu erleben. Zwar völlig übermüdete, aber bereit für die Idee, fuhren wir zur Elbebrücke mit Blick über die Elbwiesen auf Wittenberge. Das Kuriose war, dass trotz der nächtlichen Stunde doch einige LKWs unterwegs waren. Wir schafften es sogar noch daran zu denken, das Konzert dieses Mal zu streamen und fingen um 3:45 Uhr damit an. Sagen wir mal so, der Wind, die Lastwagen und die Kälte machten es nicht gerade zu unserem schönsten Erlebnis, aber auf jeden Fall zu einem besonderen, verrückten, abenteuerlichen. Erstaunlicher Weise gab es neben unseren Gastgebern und dem ambitionierten Journalisten sogar Zuschauer, die online um diese Zeit mitschauten.

Nächtliches Freiluftkonzert bei Wittenberge

Jetzt ist es um 6:00 Uhr und wir sind endlich in der Waagerechten und können die brennenden Augen schließen. Wir hoffen, dass uns ein wenig Schlaf vergönnt wird. Gute Nacht…. ach nein, ich meine guten Morgen 🤪. Wie dem auch sei, wir schlafen erst einmal eine Runde.

14.08.21 Von Dessau bis Schönebeck und Sascha als Begleitung

Königliches Frühstück bei Kirstin und Frank aus Dessau

War unser Frühstück in Lutherstadt Wittenberg bei Sandra fürstlich, wurden wir heute morgen bei Kirstin und Frank, königlich bewirtet! Jetzt geht es gut gestärkt wieder auf unser Gefährt, dass sicher in der Garage schlafen durfte. Hier läuft jetzt unsere Musik und wir hoffen, dass wir die beiden bald wieder sehen. Solche Begegnungen öffnen das Herz und machen so ein Abenteuer erst richtig lohnenswert! Es gibt soo viele tolle, hilfsbereite Menschen, lasst euch nicht das Gegenteil weis machen, sondern geht, erlebt Abenteuer und findet es selbst heraus: Der Mensch ist im Grunde gut und die meisten können dieses Gute auch zeigen und leben. Und je mehr wir einander vertrauen und uns begegnen, um so mehr Menschen werden dieses Gute in sich entdecken.

Kurz vor dem Abschied von den Beiden, stieß unser lieber Freund und Helfer Sascha zu uns. Da er uns schon auf der Testfahrt im März begleitet und unterstützt hatte, freuen wir uns, dass er uns jetzt auch wieder einen ganzen Tag begleiten wird. Vor allem, da Andreas und ich jetzt, abwechselnd auf das Rad von Sascha steigen können und Sascha mal einen Tag lang, auf dem Rücksitz des Tandems Schwerstarbeit leisten kann 😄. Als ich vorhin das erste mal sein Fahrrad übernehmen durfte, dachte ich im ersten Moment, dass er einen E-Antrieb am Rad hat. Wahnsinn, Fahrräder fahren ja eigentlich von allein. Ich hoffe Andreas kommt heute erst ganz spät auf den Gedanken, mit mir zu tauschen 😅.

Kleiner Stop am technischen Museum von Dessau

Im technischen Museum Dessau

Wir waren gerade mal ein paar hundert Meter gefahren, da sahen wir ein Großes Flugzeug auf einer Freifläche stehen und machten gleich eine kurze Pause, da die Kulisse einfach zu interessant aussah. Auch der ehemalige Windkanal zu aerodynamischen Testverfahren von Flugzeugteilen, war sehr beeindruckend!

Windkanal im Museum Dessau

15:15 Uhr: In Aken kleine Reperatur und ab über die Fähre

Jetzt sind wir wieder auf der rechten Seite der Elbe und haben es mal wieder geschafft die Überfahrt kostenlos zu bekommen und ein paar Leute mit dem Gefühl zurückzulassen, heute etwas besonderes erlebt zu haben. In Aken haben wir eine lange Pause gemacht, die Gabel des Hängers nachgezogen und mit unseren Familien telefoniert. Nach einigen Leckerbissen, die von unserem gestrigen Großeinkauf noch völlig unangetastet waren, fuhren wir wieder einmal über die Fähre, die wir erfolgreich mit Musik bezahlen konnten und zusätzlich einiges im Hut gelandet ist.

Fähre bei Aken

Weiter ging es über kleine Orte mit einigen Pausen und wunderschönen, entspannten Waldwegen, die nur ein wenig Konzentration bedurften, da sie aus schmalen Petonstreifen bestanden.

In dem kühlen Bach, an der Poleymühle

Nach einer schönen Pause, an einer Brücke über einem kleinen sauberen Fluss, in dem zumindest ich mich abgekühlt hatte, fuhren wir weiter zur Fähre nach Barby und mussten uns schon wieder einmal beeilen, denn die letzte Fähre sollte schon in einer halben Stunde ablegen und wir hatten noch ein paar Kilometer vor uns.

19:00 Uhr: Über die Elbe nach Barby

Auf der Fähre von Ronney nach Barby

13.08.21 Guten Morgen allerseits und was uns alles weh tut

08:00 Uhr: Aua!!! Mein ganzer Körper schreit nach einer Yogastunde und danach, sich mal einen Tag ausruhen zu dürfen. Ich sitze noch auf der Bettkannte und kämpfe damit, meine geschwollenen Augen aufzubekommen, denn trotz Strohhut haben unsere Gesichter ganz schön viel Sonne abbekommen in den letzten Tagen. Da war uns der warme Sommerregen fast schon lieber.

Andreas hatte ungefähr um vier Uhr morgens einsetzende Muskelkrämpfe in den Beinen und ist jetzt gerade torkelnd unter die Dusch gestolpert. Ich habe Mühe, beim Schreiben den Kopf zu heben, da sich mein Nacken wie ein Scheit Holz anfühlt, die Handgelenke schmerzen und selbst die Oberarmmuskulatur hat einen Kater, von den Waden und Oberschenkeln mal ganz abgesehen. Die Füße sind gereizt, die Achillessehnen überstrapaziert und wir trinken jetzt erst einmal einen Kaffee. Mmmh, aufstehen… so habe ich mich nicht einmal nach einem Marathon gefühlt. Ach, es tut echt mal gut zu jammern, aber keine Angst, wir ziehen das durch.

Wir sind beim planen des Tages

Ein fürstliches Frühstück in Lutherstadt Wittenberg bei Sandra, die uns, für eine Nacht, bei sich aufgenommen hat.

10:30 Uhr: Es geht uns schon besser, nur die Wärme da draußen macht uns etwas Sorgen und wir denken gerade schon über eine Nachtfahrt nach. Wir haben gerade fürstlich gespeist und frisch gemachten Kisch zum Frühstück gegessen, haben frisch gewaschene Wäsche, kalt geduscht und sind körperlich abfahrbereit. Mental noch nicht ganz 😉

Gleich geht es weiter, bei strahlend blauem Himmel. Wir sehnen uns nach Wolken.

Gerade hat uns noch RTL angerufen, die am Sonntag mit uns einen Beitrag für „Guten Morgen Deutschland“ filmen möchten. Ach, ist das alles spannend und schon wieder ein Termin, den wir erreichen müssen. Leute, gebt uns Rückenwind! 😅

Noch ein kleiner Stadtbesuch in Wittenberg

Da die Leute mit den alten Fahrrädern gestern davon sprachen, dass sie heute am Markt unter anderem auch alte Sättel anbieten, wollten wir die Chance nutzen, unsere „Folterinstrumente“ einzutauschen. Leider fanden wir niemanden und machten noch ein Spiegelfoto vor einer riesigen, glänzenden Kugel, was ich gestern eigentlich schon vor hatte.

Der Marktplatz in Lutherstadt Wittenberg

Jetzt hieß es gut überlegen, auf welcher Seite der Elbe wir am besten vorankommen würden. Durch Gespräche mit anderen Fahrradreisenden vor der Schlosskirche bekamen wir noch einige Tipps, wie wir auf der nächsten Etappe extreme Steigungen von elf Prozent umfahren können.

Das Wahrzeichen der Lutherstadt in Sicht

14:40 Uhr: Auf der Fähre in Coswig

Hey, wir haben es schon bis Coswig geschafft und setzen gerade mit der Fähre über, die wir sogar kostenlos befahren durften 😎. Beziehungsweise sollten wir erst die Hälfte bezahlen, aber als wir dann auf der Fähre gespielt hatten, gab uns der Fährmann mehr als das Doppelte in den Hut. Wie cool ist denn so ein Erlebnis!

Wir setzen auf der Fähre in Coswig über und spielten auch ein Ständchen

Nachdem uns geholfen wurde, das Klavier von der Fähre zu bekommen, fuhren wir mit immer höherem Tempo gen Dessau. Wir sollten eigentlich um 16:00 Uhr ankommen, da dort der Pressesprecher der Stadt, jemand vom Kulturamt und noch einige Gäste, auf uns warten wollten. Wir konnten von Glück sagen, dass die Radwege so gut befahrbar waren, dass uns nur ab und zu mal kleine Bordsteinkanten etwas ausbremsten. Noch vor einem Jahr, wurde uns erzählt, musste man beispielsweise eine kilometerlange Kopfsteinpflasterstraße von der Fähre nach Wörlitz befahren. Dafür hätten wir Stunden gebraucht, da der Anhänger bei solchen Abschnitten extrem ins Holpern kommt. So war die Strecke in Windeseile zurückgelegt.

Gut ausgebauter Radweg neben einer historischen Kopfsteinpflasterstraße nach Wörlitz

Kurzer Abstecher zum Wörlitzer Park

Wir lagen relativ gut in der Zeit und erlaubten uns noch kurz, auf ein Eis und ein Ständchen vor dem Eingang des Wörlitzer Parks zu halten. Eine Durchfahrtgenehmigung wurde uns leider verwehrt. Aber wie das mit uns so oft ist, kam in diesem Moment „die Institution hier in Wörlitz“, wie sie sich lachend vorstellte. Eine sympathische Frau, die hier viele kreative Führungen gibt. Das heißt, demnächst werden wir auch im Wörlitzer Park spielen können! 😎

Auf ein Eis vorm Wörlitzer Park

Von Wörlitz nach Dessau

Weiter ging es mit zunehmendem Zeitdruck und steigenden Temperaturen. Erstaunlicher Weise spielten unsere Muskeln besser mit als gestern, immerhin war die Gesamtstrecke trotzdem über vierzig Kilometer lang. Wirklich, wirklich schade, dass wir es so eilig hatten, denn der Fahrradweg von Wörlitz nach Dessau ist wirklich ein Kleinod und mit seinen endlosen Elbwiesen und dem verschlungenen Verlauf eine der schönsten Strecken bisher, die wir befahren haben. Wirklich nur zu empfehlen. Wir traten ordentlich in die Pedale und waren trotzdem schon eine halbe Stunde zu spät. Sobald wir an der Straße entlangfuhren, hupten und winkten immer wieder Autofahrer und hielten ihre Daumen hoch und riefen: „ Ihr seid doch die…“, „ viel Glück noch…“

Mein Kreislauf und sofortige Hilfe

Dann, bei der letzten Brücke gaben wir noch mal alles und ich strengte mich besonders an, da Andreas eben sagte, dass er kurz vor der Kotzgrenze steht. Das hatte am Zenit der Brücke für mich die Folge, das sich mein Kreislauf erst mal verabschiedete und ich mich erst mal setzen musste. Sofort hielt ein Wagen neben uns mit zwei Frauen, die offensichtlich gerade vom Einkaufen kamen. Sofort gaben sie uns Wasserflaschen und eine Cola und freuten sich sehr, uns helfen zu können. Sie hatten wiederum von DRIFTWOOD Holly von unserer Aktion gehört. Wir konnten für sie auch etwas Gutes tun, da ihr CD-Fach im Auto jetzt endlich einen Sinn hat. 😉

Unsere rettenden Engel in der kleinen Not, mitten auf einer Brücke

Da kam schon der Stadtmarketingleiter an, um uns mit dem Fahrrad entgegenzufahren und uns den Weg zu zeigen. Wenig später wurden wir von klatschenden Menschen herzlich empfangen, die alle über eine halbe Stunde geduldig auf uns gewartet hatten. Wow! Wir gaben unser tägliches Konzert, vergaßen aber mal wieder den Livestream, weil wir nicht mehr recht beisammen waren. Ein anliegendes Café brachte uns gleich zwei eiskalte Cocktails. Dummerweise waren die mit Alkohol, was ich aber erst recht merkte, als das Getränk schon leer war und die Wirkung einsetzte. Das große Gläschen Obstbrand tauschten wir dann gegen eine kalte Cola ein. Scheinbar hatten sie von der Gastlichkeit der Tschechen gehört und wollten dem in nichts nachstehen 😂 . Es war wirklich schön – einige kauften sogar unser neues Doppelalbum und eine alte Frau warf aus dem Neubaublock einen Zehn-Euroschein mit Klammern runter.

Konzert mit gefährlichen Getränken und Geld, das die Leute aus Fenstern schmeißen in Dessau

Aus einem Hochhaus in Dessau wird uns Geld aus dem Fenster zugeworfen

Glück muss man haben!

Nach einem Großeinkauf wollten wir heute noch nach Aken fahren. Auf dem Weg durch Dessau kamen wir überraschender Weise sogar am Bauhaus vorbei, vor dem ein Foto natürlich ein Muss ist.

In Dessau vor dem BAUHAUS
Interessante architektonische Garage in Dessau 😉

Wenig später radelten wir an einem indischen Restaurant vorbei, das von außen eher den Anschein machte, als wäre es auch in Indien. Das Essen war wider Erwarten aber hervorragend. Der Himmel zog sich derweil immer mehr zu und vereinzelt kamen schon Tropfen vom Himmel. Wir machten alles wetterfest und freuten uns nach diesem heißen Tag irgendwie sogar auf die Abkühlung. Am Nachbartisch saß ein sehr sympathisches Paar, mit dem wir uns unterhielten. Sie erklärten uns noch die einfachste Route nach Aken, als dann die Wolken ihr Tore endgültig aufstießen. Ihre sofortige Einladung, bei ihnen zu übernachten, nahmen wir dankend an und fuhren durch den warmen Sommerregen schon in der Dunkelheit. Wenigstens waren jetzt keine Mücken mehr da, die hier zum Abend wie eine Plage über einen herfallen.

Die Garage von Kirstin und Frank wird für das Tastdem freigemacht

Zu Hause von Kirstin und Frank wurde sogar die Garage für unser Tastdem freigemacht und wir hatten noch einen tollen Abend mit angeregten Gesprächen, bevor wir erledigt in ein warmes, weiches Bett fallen durften. Das ist Glück im Leben!

12.08.21: Lutherstadt Wittenberg wartet heute auf uns

Ja, ich weiß. Der gestrige Tag ist noch undokumentiert, jetzt versuche ich wenigstens in kleinen Häppchen gleich den heutigen zu skizzieren.

Entspannte Nacht im Bootshaus in Torgau

Wir hatten heute eine entspannte Nacht im Bootshaus von Torgau und sind um 7:30 Uhr aufgestanden, um pünktlich zum „Radhaus“ zu gehen, um unser ganzes Gefährt einmal durchleuchten zu lassen. Hier sitze ich also und kann in Ruhe schreiben, währen drei liebe, hilfsbereite Männer sich all den kleinen und großen Mängeln annehmen, um unsere sichere Weiterfahrt zu garantieren. Wow, sie werden uns auch nur das Material berechnen und haben uns auch da schon Sonderkonditionen versprochen. Echt edel!!! Bei der Durchsicht kam unter anderem heraus, dass unsere Federgabel vom Tandem falsch herum eingebaut war.

In der Werkstatt vom Radhaus in Torgau

Jetzt ist alles repariert und das alles für die Kaffeetasse. Einfach nur Wahnsinn!!! Wir sind Glückskinder trotz aller Pleiten und Pannen.

Später: Gerade drehen wir noch einen Beitrag für den MDR auf dem Schliss von Torgau, nachdem wir schon lustige Szenen in der Werkstatt erlebt haben. Ein Journalist von der MZ ist auch gerade aufgetaucht. Wir kommen echt nicht weg…

Lustige, gestellte Filmszenen der Reparatur für den MDR

14:00 Uhr: Wir sind immer noch beim Dreh kurz vor Torgau. Wenn das so weitergeht, wird das eher der längste Medienmarathon, als der längste Klaviertransport 😉

Beim vierstündigen Dreh mit dem Allroundtalent Gerald vom MDR

Zwischenstand nach 25 Kilometern nach Torgau

Wow, es ist 16:40 Uhr und wir haben uns die zweite fünfminütige Pause gegönnt, um uns kurz in einem See zu erfrischen. Das war absolut notwendig! Der Kameramann vom MDR hat uns echt erst um 15:00 Uhr weggelassen. Hoffen wir mal, dass es das wert war. (Der Beitrag soll morgen um im vierzehn Uhr Journal kommen.)

Kurze Erfrischung in einem See namens Lausiger Teiche 😀

Wir sind also gerade 25 Kilometer in anderthalb Stunden geradelt. Endlich geht es mal voran, aber ebene Wege und gut asphaltierte Straßen machen es möglich und natürlich das Gefühl, einen sicheren, durchgecheckten Wagen zu haben. Lutherstadt Wittenberg – Wir kommen! Dort erwarten sie uns um 20:00 Uhr. Holla die Waldfee, da müssen wir noch strampeln, es sind noch über 40 Kilometer.

18:30 Uhr und neun Kilometer vor den Toren Wittenbergs

Auf der B186

Wir sind sowas von breit und alle, das glaubt ihr nicht. Die Sonne scheint schon den ganzen Tag erbarmungslos und trotz Strohhüten und gutem Fahrtwind müssen wir literweise Wasser nachkippen. Wir haben jetzt die Wegstrecke ca. um zwölf Kilometer abkürzen können, indem wir die B 186 entlanggefahren sind. Wir werden es auf jeden Fall pünktlich schaffen, denn in Lutherstadt Wittenberg wartet natürlich auch wieder Presse samt einer Gruppe mit historischen Fahrrädern. Das wird bestimmt spannend. Es gibt wirklich neben der Erschöpfung nur ein Riesen Problem: unsere Hintern tun so weh, dass wir kaum noch sitzen können! Oh Mann, aber: Zähne zusammenbeißen und Schacka!

Ganz kurz auch auf der B2, acht Kilometer vor Wittenberg

Pünktlich um 19:30 Uhr kamen wir auf dem Markt von Lutherstadt Wittenberg an

Wow, das war der erste Tag unserer Reise, bei dem mal alles glatt ging, wir weder Wolkenbrüche, noch Kettenrisse oder Platten hatten. Im Gegenteil schafften wir endlich einmal die volle Kilometerzahl (ca. 60 km), die wir uns pro Tag vorgenommen hatten und das auch noch in rekordverdächtiger Zeit von viereinhalb Stunden.

Letzte Steigung an der Elbe-Brücke auf dem Weg nach Lutherstadt Wittenberg

Auf dem Markt warteten schon ein paar Leute mit ihren alten oder auf alt gemachten Fahrrädern, um uns zu empfangen.

Auf dem Markt von Lutherstadt Wittenberg warteten Leute mit ihren historischen Rädern auf uns

Natürlich setzten wir uns gleich ans Klavier und gaben, durchgeschwitzt wie wir waren und körperlich eigentlich fix und fertig, noch unser Tageskonzert. Ja, diesmal konnte man es nicht so recht als Naturkonzert durchgehen lassen, dafür schafften wir es aber endlich das erste Mal den Livestream zu realisieren.

Der schöne Altstadtmarkt von Wittenberg

Nur noch essen und ab ins Bett

Nach einer Stunde freuten wir uns dann nur noch auf das Essen, denn wir hatten wieder einmal keine Zeit gefunden, angemessen zu frühstücken und außer ein paar Stullen mit Käse und Unmengen an Wasser, nichts zu uns genommen. Nach einem wohlverdienten Besuch beim Italiener fuhren wir zu der Wohnung einer Freundin von einer ehemaligen Schülerin von Andreas. (Hui, was für ein Satz 😅) Bei ihr sind wir heute eingeladen zu schlafen und uns wie zu Hause zu fühlen. Sogar das Tastdem hat noch einen Platz in der Garage gefunden und steht nun sicher und trocken verwahrt. So lässt es sich beruhigt einschlafen.

Der heutige Schlafplatzt des Tastdems in Wittenberg

Wir leben noch, keine Angst und es geht immer irgendwie weiter.

Am Morgen des 10.08.21 um 7:35 Uhr: Ich bin extra früh aufgestanden, um euch nicht noch länger im Dunkeln zu lassen, was die Ereignisse seit dem Kettenriss anbelangt. Ich sitze müde, aber gemütlich auf der Couch einer langjährigen Freundin aus Dresden, die uns gestern Abend begeistert empfing und uns und dem Tastdem , warmen Unterschlupf gewährte. Aber das ist ja der gestrige Tag und soll ein anderes Mal erzählt werden. Gefühlt gab es wirklich keinen Platz, die Berichte zu vervollständigen, die ich teilweise sogar auf dem Tandemrücksitz während der Fahrt zu schreiben versuchte.

Bei der Aufarbeitung der letzten Tage – Mit Kaffee geht es leichter

In Kurzform hier der restliche Tag

Pressetermine ohne Ende:

Vor der Frauenkirche in Dresden

Mit etwas Verspätung kamen wir um 9:50 Uhr beim ersten Pressetermin des Tages an und machten Fotos vor der beeindruckenden Kulisse Dresdens.

Um 10:20 Uhr gab es ein Radiointerview mit Radio Prag.

Um 11:00 Uhr hatten wir den nächsten Pressetermin vor der Frauenkirche mit der Sächsischen Zeitung und einer sehr sympathischen Journalistin.

Um 11:30 Uhr, gleich im nahtlosen Anschluss gaben wir wieder ein Radiointerview, diesmal mit Radio Dresden.

Die Angst fährt mit

Nach ein paar obligatorischen Fotos vor der Frauenkirche aßen wir schnell noch etwas und um 13:00 Uhr ging es dann endlich in Richtung Meißen wieder die Elbe hinunter. Diesmal sehr vorsichtig und mit einem etwas unsicherem Gefühl, da ein Verbindungsstück der Deichsel mit der Kupplung seit heute Morgen ganz schön wackelte. Da wir nicht wussten, wie schlimm das Ganze zu bewerten ist, nahmen wir ab jetzt jeden Berg und jede Kurve noch vorsichtiger als vorher, wodurch wir aber auch noch langsamer voran kamen. Zudem kam auf der Route nach Meißen, die nebenbei gesagt wirklich sehr schön ist und teilweise an Gegenden in Italien erinnert, dass die neue Radgabel des Wagens seit neustem knackende Geräusche von sich gab und anscheinend immer mehr Spiel bekam. Trotzdem genossen wir die Fahrt und viele schöne Ausblicke.

Am Wegesrand von Dresden nach Meißen

Nächstes Ziel ist Meißen:

Um 17:00 Uhr kamen wir aber trotzdem pünktlich zu unserem fünften und letzten Pressetermin an diesem Tag an. Wir hatten unser Ziel Meißen gut und unbeschadet erreicht. Wir freuten uns sehr, denn das Schönste des Tages sollte jetzt noch kommen: unsere Begegnung mit dem Singer Songwriter DRIFTWOOD Holly, der gerade zur selben Zeit mit einem selbstgebauten Hausfloß die Elbe hinunter fährt. Vor Wochen schon kamen wir über unsere Aktionen in Kontakt und beschlossen, uns auf alle Fälle auf unseren Wegen zu begegnen und ein Konzert zusammen zu geben.

Konzert mit DRIFTWOOD Holly, an der Elbe mit Blick auf Meißen.

Es war Romantik pur! Im Hintergrund die Kulisse der beeindruckenden Meißner Altstadt, im Fluss das liebevoll gestaltete Floß von Holly und davor wir – mit unserem Tastdem. Irgendwie, dachte ich, macht er das total richtig. Völlig ohne Stress und ohne Zeitplan zu reisen, denn: langsam, aber sicher, keimt diese Sehnsucht in Andreas und mir auf, weil wir jetzt merken, dass bei unserem ambitionierten Zeitplan die Freude, Spontanität und Besinnung viel zu kurz kommen und uns wirklich oft fehlen. Es fühlt sich einfach doof an, ein spontanes Konzert für liebe Leute mit der Begründung ausschlagen zu müssen, dass wir ja unseren Zeitplan einzuhalten haben.

Jedenfalls spielte erst Holly zwei Lieder von seinem Boot aus, die uns ausgesprochen gut gefielen und mich emotional total mitnahmen. Nach einer der schönsten Ankündigungen, die wir bisher bekommen haben, fingen wir unser Konzert mit sensibler Stimmung an. Diesmal hatte ich sogar Mühe, die Ballade vom Felix Fliegenbeil zu rezitieren, weil ich mich davon selbst so berühren ließ, dass ich arg mit den Tränen kämpfte, um einigermaßen klar und deutlich die Ballade zu Ende zu erzählen.

Meißen bei Nacht mit dem Boot von Holly und unserem Tastdem.

Den Livestream bekamen wir wieder nicht hin, weshalb wir auch ein stetig wachsendes schlechtes Gewissen euch gegenüber haben, aber bitte glaubt mir, es war wunderschön und einmalig. Holly gab ein wenig später noch sein volles Konzert, nachdem das Publikum uns reichlich mit Applaus und CD-Käufen belohnt hatte und endlich konnten wir dann auch einmal nur dasitzen und genießen.

Ach ja, wie Holly zu reisen, ist definitiv die entspanntere Variante

Schlafen durften wir im Garten des Ruderhauses von Meißen und nachdem wir noch von den Verantwortlichen des Vereinshauses zu Speis und Trank eingeladen wurden, schaute sich Holly noch einmal die Problemchen unseres Wagens an. Nachdem er mir versichern konnte, dass wir erst mal keine lebensgefährlichen Probleme bekommen würden, schliefen wir erschöpft und beruhigt ein.

DRIFTWOOD Holly, echt ein verrückter Typ, der seit zweiundzwanzig Jahren im tiefsten Norden von Kanada lebt, sich mit Bären um seine Brombeersträucher streiten muss und im Winter auch Temperaturen von minus fünfzig Grad erlebt. Dabei entstehen aber herzerwärmende Texte und Lieder, teils auf deutsch, teils in englisch. Sehr zu empfehlen – mich jedenfalls hat er emotional total getroffen mit seiner Musik.

Mal sehen was wir heute so rocken.

07.08.21 um 12:00 Uhr: Die Sonne Scheint, der Wind kommt von vorn, die Zelte sind eingepackt und schon einiges an Arbeit erledigt, was parallel ja auch alles noch zu bewältigen ist. Allein dieser Blog hier hat heute Morgen schon wieder zwei Stunden in Anspruch genommen mit Fotos und Videos aussortieren und bearbeiten, den Taxt von gestern Nacht noch korrigieren und erweitern… Alles mehr Arbeit als wir uns das vorgestellt haben, aber trotzdem schön, auch gleich alles immer Revue passieren zu lassen, wie in einem Tagebuch. Das bringt auch viel Bewusstsein in das, was wir tun.

Andreas bei der Pressearbeit am Morgen

Das Frühstück bestand bisher aus einem Powerrigel und ein paar Nüssen. Vielleicht nicht das gehaltvollste, wenn man sich 90 Kilometer Radfahren vorgenommen hat, vor allem auf unsere, spezielle Weise 😎 Wir haben uns mit Sonnencreme vorsorglich bedeckt und ich werde heute das erste mal meinen Strohhut aufsetzen. Also, auf geht es den kleinen Schlammigen Pfad zur Straße zurück, in dem wir gestern Nacht noch fast stecken geblieben währen und „on the Road egain“.

Zurück zur Straße von unserem Schlafplatz

Ok, die Ereignisse der letzten vier Stunden wollen erst einmal verdaut sein und so schreibe ich hier auf dem Rücksitz des Dandems, während wir uns kontinuierlich der Deutschen Grenze nähern.

Vor vier Stunden sah das noch ganz anders aus,aber von vorn!!!

Die gerissene Kette:

Fünf Kilometer vor Terezín, eine Minute vor dem Nachgeben des schwächsten Glieds in der Kette.

Wir waren gerade mal fünf Kilometer unterwegs, da gab es auf einmal merkwürdige Geräusche, die nebenbei gestern schon anfingen und die wir auf die Schaltung zurückführten, da bewegte sich auf einmal die Kette nicht mehr weiter… verdammt 😩 der nächste Worstcase: ein gebrochenes Kettenglied!!! 😳 was jetzt… Wir riefen gleich unseren Freund Arne an, der schon auf dem Weg zu uns mit dem Fahrrad war, um dann mein Auto abzuholen und nach Cuxhaven, zu unserem Endziel zu fahren. Wir baten ihn uns Werkzeug mitzubringen, da wir leider genau dass nicht mitgenommen hatten. So hatten wir wenigstens die Aussicht, am Abend weiter zu kommen.

Das kaputte Kettenglied, kurz vor Terezín.

Also, was tun? Ich reparierte völlig notdürftig das fast herausgesprungene Kettenglied mit einer Kneifzange und wir radelten fast im Schritttempo bis zum nächsten Dorf. Dort angekommen, hatten wir keine große Hoffnung auf irgend eine Hilfe. Wir rätselten noch, wie wir es anstellen sollen einen Fahrradladen am Samstag Nachmittag aufzutreiben, da sah ich beim letzten Haus des Dorfes ein Mann an einem Lieferwagen, vor einer Kneipe stehen. Kurz entschlossen sprachen wir ihn an. Da er weder Englisch, noch Deutsch verstand und wir des tschechischen nicht mächtig sind, zeigte ich ihm unser Problem. Sofort verschwand er wortlos durch sein Hoftor und kam wenig später mit einem Kettennieter wieder. Große Erleichterung bei uns und ein fettes grinsen im Gesicht. Mit weißem Hemd und schmierigen Händen versuchten wir das Kettenglied zu entfernen, wussten aber noch nicht so recht, wie man eine Kette wieder zusammen bekommt, ohne noch mehr kaputt zu machen. Der Mann erkannte unser Problem und ging abermals durchs Tor und brachte eine niegelnagel neue Kette mit, die er uns wahrscheinlich sogar geschenkt hätte. Wir gaben ihm 20 € die wir für solche Notfälle eingesteckt hatten, als Dankeschön und versuchten nun diese Kette anzubringen. Der Witz war, dass das Kettenschloss, das es zu der neuen Kette gab, nicht passte und wir trotz YouTube Tutorials auf denen das alles ganz einfach aussah und Versuchen von einem vierten Dorfbewohner, alle kläglich scheiterten. Am Ende versuchte ich es noch einmal mit der alten Kette und bekam sie tatsächlich zusammen, so dass wir glücklich nach einer Dreiviertelstunde weiter fahren konnten und Arne Entwarnung gaben. Die Kette ließen wir natürlichen da, sowie die 20 € und der Mann gab uns sogar noch Waschpaste und ein Eimer Wasser um unsere Hände für die Weiterfahrt sauber zu machen.

In einem kleinen Dorf vor Terezín halfen uns gleich mehrere Leute, mit deren Hilfe wir wenig später weiterfahren konnten.

Was für ein unglaubliches, unwahrscheinliche Ereignis. Wie verrückt ist es, mitten in der Pampa in einem kleinen Dörfchen den erst besten Menschen um Hilfe zu bitten, der einem dann auch noch promt alles zur Verfügung stellt was man zur Weiterreise braucht. Ich sag euch, das war gestern die Sternschnuppe, die wir gesehen haben. Sogar mein Hemd blieb bei der Aktion weiß 😅.

Terezín:

Kurze Zeit später erreichten wir ehemals Theresienstadt und standen unvermittelt und unerwartet vor dem ehemaligen Konzentrationslager. Geld hatten wir leider noch keines verdient, so blieb uns nur eine Gedenkpause einzulegen in der mir wirklich die Tränen kamen, beim Anblick der Gräber, die ein ganzes Feld vor dem Denkmal bedecken.

Gedenkpause vor dem ehemaligen Konzentrationslager Theresienstadt, in dem 33000 Menschen ermordet wurden.

Mit etwas gedämpfter Stimmung fuhren wir gleich einmal in die verkehrte Richtung. Was aber auch ganz gut war, wie sich schnell herausstellen sollte. Wir hielten kurz an einer Tankstelle, wo Andreas nach dem richtigen Weg fragen wollte. Da ich keine Maske hatte, ging Andreas allein hinein und während ich wartete, kam auf einmal ein Mann, Oberkörper frei, interessiert auf mich zu und fragte in gebrochenem Deutsch, was das auf dem Hänger sei und wohin ich wolle. Der Mann war sehr sympathisch und als er erkannte, dass wir ein Klavier auf dem Hänger hatten, lud er uns ganz aufgeregt ein, für seine Schwiegermutter im Schrebergarten zu spielen, die heute Geburtstag hat. Kein Scherz! Wir machten aus:“In 5 Minuten, in 5 Minuten sind wir im Garten und spielen für deine Schwiegermutter“.

Gastfreundschaft in Terzín, in Tachechien

Gesagt getan und gleich zur Begrüßung gab es einen Whisky, den wir nicht ausschlagen durften. Nach nur einem Stück wurde uns schon ordentlich Essen aufgetan mit frischen, Tomaten und Gurken aus dem Garten und natürlich einem Bier. Bei herzlicher Atmosphäre und lustiger Verständigung über die sechzehnjährige Tochter, die recht gut englisch konnte, mussten wir aufpassen, nicht die Zeit zu vergessen. Nach einem weiteren Stück auf dem Klavier und dem unabwendbaren Verabschiedungswhisky fuhren wir in die richtige Richtung weiter und bekamen sogar noch einen ganzen Beutel mit frisch geernteten Gemüse als Wegzehrung.

Spontanes Geburtstagskonzert in einer tschechischen Gartensparte

Weiter, bis in die Nacht an der Elbe entlang:

Gerade hatten wir wieder ein wunder, wunderschönes Erlebnis. Wir sind schon im Dunkeln unterwegs und kamen durch ein kleines Dörfchen, wo wir an einer kleinen Dorfkneipe vorbei kamen und einige noch da saßen und ihr Bier tranken. Sie empfingen uns mit lauten Johlen. Spontan stiegen wir ab, da wir sowieso bei der nächsten Gelegenheit noch Wasser auffüllen wollten, bauten den Sitz an das Tastdem und spielten den begeisterten Zuhörern unser Stück „Alles ist möglich“ vor. Es gab dann auch großen Applaus und Jubelrufe, absolut beispielhaft für die kleine Menge an Menschen. Und natürlich, worum man hier in Tschechien leider nicht herum kommt, bekamen wir ein Bier und einen Schnaps. Nach netten Gesprächen und noch einer Improvisation mit einer Dame von den Leuten, fuhren wir mit frisch aufgefüllten Wasserflaschen weiter. Die Herzlichkeit der Leute hier in Tschechien ist einfach großartig, zumindest der, denen wir bisher begegnet sind!

Jetzt sind wir weiter nach Deutschland unterwegs, es ist 21:20 Uhr und angenehmer Nieselregen weht uns ins Gesicht. So macht das Reisen einfach nur Spaß, also verhungern und verdursten werden wir auf gar keinen Fall. Es ist nur die Frage, ob wir es schaffen hier nüchtern zu bleiben. Wohl kaum!

Freude Pur am Tastdem bei Repnice
Begeisterte Zuhörer beim nächtlichen Spontankonzert bei Repnice

Um 00:30 irgendwo vor Ústí nad Labem in strömenden Regen:

Kann mich mal bitte eine kneifen?! So viel Ereignis und Erlebnis am Einem Tag reicht doch nun wirklich langsam.

Nach unserem wirklich netten Zwischenstopp bei der Kneipe kamen wir wirklich gut ohne weitere Vorkommnisse voran, nur dass es mittlerweile wie aus Kannen schüttete und wir mit Steigungen zu kämpfen hatten, bei denen es mitten in der Nacht all unsere Kräfte erforderte, diese zu überwinden. Wir waren sogar zweimal gezwungen Anhänger und Tandem einzeln hochzuquälen, weil es anders nicht möglich gewesen wäre.

Mit all unserer Kraft, bei strömendem Regen überwinden wir sogar die schlimmsten Steigungen in der Nacht

Es war schon fast Ein Uhr Nachts, als wir eine nervige Passage direkt an der Elbe passieren mussten, die wir nur im Schritttempo fuhren. Überall hatten die Wurzeln der Bäume Bodenwellen verursacht, um sich ihren Teil zurückzuerkämpfen. Trotz der Langsamkeit war es aber aufgrund des stetigen Regens und der Dunkelheit unmöglich das folgende zu vermeiden. Plötzlich gab es ein sehr bedenkliches Geräusch, dass uns sofort anhalten ließ und als wir begriffen, was das pschffffffff bedeutet, sahen wir den Salat. Wir waren durch ein mit Wasser gefülltes Schlagloch mit dem linken Reifen des Anhängers gefahren, dessen Scharfe Kannten, trotz der Langsamkeit ausreichten, den nächsten und hoffentlich letzten „Worstcase“ zu verursachen: Einen Platten vom Feinsten. Ich meine, muss das sein? Warum?!!! Reicht denn eine gerissene Kette noch nicht für diesen Tag, Starkregen und zwei mal sich verfahren zu haben? Wie flickt man denn bitte mitten in einer regnerischen Nacht einen Reifen?

Platten um 00:30 Uhr im strömenden Regen bei Ústi nad Labem

Durchatmen und erst einmal überlegen und bei aller Ambitioniertheit und Abenteuergeist etwas Realismus walten lassen. Arne, der Freund, der das Auto aus Tschechien abholen sollte, hing zudem noch in den Bergen fest, den ein Gewitter vom Weiterkommen hinderte, da er die wahnsinnige Idee hatte mit dem Rennrad zu fahren. Das versprochene Ersatzrad, das wir eigentlich zum Wagen dazubestellt und versprochen bekommen hatten, war bei der Abnahme auch noch nicht fertig gewesen. Echte Scheiße! Sowas von ärgerlich, denn einfach das Rad zu wechseln währe wenigstens möglich gewesen. Nach dem wir noch versucht hatten vergebens jemanden zu finden, bei dem wir unsere Zelte aufstellen dürfen, blieb nur noch eine Möglichkeit, auch angesichts unseres Zeitplans, der nun schon zum wiederholten Male in sich zusammen viel.

Wir machten alles regenfest und während ich mich alleine auf das Tandem schwang, um die 56 Kilometer auf geradem Wege, über die Landstraßen zu meinem Auto zu fahren, versucht Andreas sich warm zu halten und die Sachen vor dem Regen und der totalen Durchnässung zu retten.

Von Ústí nad Labem nach Mêlník alleine mit dem Tandem um 02:30 Uhr in der Nacht

Nachdem ich allen Ernstes sogar fast ein Reh mit dem Tandem überfahren hätte, kam ich vollkommen erschöpft, um vier Uhr morgens in Mêlník, beim Auto an. Nach dem Einladen des sperrigen Tandems fuhr ich gleich los, um eine Dreiviertel Stunde später wieder bei Andreas und unseren ganzen Sachen zu sein, den Motor abzustellen und sofort vor Erschöpfung eine halbe Stunde die Augen zu schließen.

Andreas und Arne luden alles ein und für das Verstauen des Anhängers und der Räder auf dem Autodach war ich wieder fit genug mitzuhelfen und sogar weiter zu fahren. Wir beschlossen, Tschechien abzukürzen, um direkt hinter der Grenze in Bad Schandau erst einmal drei Stunden, zu dritt in einem überfüllten Auto zu schlafen und morgen weiterzusehen.

Ein wenig erholsamer Schlaf kurz vor der deutschen Grenze nach einer „Marathonnacht“

Die ersten fünfzig Kilometer liegen hinter uns mit allem Sack und Pack!

Hier starteten wir heute. Das Schloss von Mêlník

06.08.21 um 00:19: Wir liegen endlich in unseren Zelten, draußen tröpfeln die letzten Regentropfen noch vom Laub der Bäume und mein Po tut ziemlich weh. Endlich ein wenig Zeit euch von den heutigen Geschehnissen zu berichten.

Nach dem wir unseren Schlafplatz doch etwas spät erst verlassen hatten, fuhren wir in Richtung Mêlník. Ich glaube die Bergwanderung mit unserem Tandem am Vortag, bei Temperaturen teilweise im einstelligen Bereich in Kombination mit Dauerregen hatte uns ziemlich geschlaucht und unsere Körper holten sich, was sie brauchten, um nicht krank zu werden. So war es schon 12:30 Uhr als wir den schönen ruhigen Platz mit unzähligen Schmetterlingen verließen und beschlossen, dem Smetana-Denkmal in Dušníky einen Besuch abzustatten, um gleich dort mit der Tour zu starten.

Wir mussten aufpassen keinen Schmetterling im Auto mitzunehmen.

Auf dem Weg dort hin setzte Starkregen ein, dabei hatte der Tag so sonnig und herrlich warm begonnen mit unzähligen Schmetterlingen, dir wir nur mit Mühe davon abhalten konnten mit uns mitzukommen. Endlich in Dušníky angekommen mussten wir feststellen, dass wir im falschen Ort waren, und wir waren zutiefst niedergeschmettert 😉 . Noch zum richtigen Ort fahren? Nein, uns rennt die Zeit davon, denn komme was wolle, wir würden heute noch sechzig Kilometer weit fahren. Also fuhren wir direkt nach Mêlník, so wie zuerst geplant und luden dort aus, als auch schon der erste Schauer niederging, der uns erst einmal stoppte. Alles zog sich etwas in die Länge, da es jetzt ja endlich wirklich ernst wurde, quasi dann wirklich kein Zurück mehr gab und wir darauf bedacht waren, alles gut zu verstauen. Wir reparierten noch die Klavierinnenbeläuchtung, was vorher nicht möglich war, weil die Bauer des Lastenrades das Klavier bis zum letzten Tag gebraucht hatten.

Dann hatten wir es endlich geschafft. Alles war an seinem Platz und regendicht und gut verstaut. Wir wollten nur noch eine kleine Drohnenaufnahme machen, als eine graue Wand aus Regen auf uns zurollte. Wirklich wahr, man sah die den Regen richtig auf uns zukommen. Wir flüchteten uns und das Tastdem schnell unter die Brücke an der wir alles ausgeladen hatten und dann ging ein Regenguss nieder, das war schon beeindruckend und wir waren froh, noch nicht losgefahren zu sein.

Flucht unter die Brücke vor einem Gewalten Wolkenbruch kurz vor dem Start

Da wir ja sowieso gerade nicht los konnten und dieses Rauschen und Plätschern eine wunderschöne Kulisse ergab, beschlossen wir, hier und jetzt unser erstes Naturkonzert zu geben und für euch ein paar Aufnahmen zu machen, da leider das Streamen erst in Deutschland möglich sein wird. Ein anderer Radfahrer war auch da und war so lieb auch ein wenig mit der Kamera herumzugehen. Es war ehrlich gesagt ein berauschendes Erlebnis 😂. Wirklich, es war ein sehr poetischer Moment.

So weit ist es schon: wir spielen in Tschechien unter der Brücke im Regen 😉

Es regnete eine geschlagene Stunde durch, dann sollte es aber wirklich losgehen. Ich parkte noch mein Auto an einer mir vertrauenswürdiger wirkenden Stelle, denn es wird voraussichtlich erst in zwei Tagen von einem Freund dort abgeholt, der uns mit dem Rennrad entgegen fahren will. In der Zwischzeit kamen wir mit Nico aus Wien ins Gespräch, dessen Endziel Hamburg sein soll und der große Lust hatte, trotz fortgeschrittener Stunde, mit uns auf das Tastdem zu steigen und uns eine Wegstrecke zu begleiten. So fuhren wir dann endlich um 19:30 Uhr los und waren nach ein paar Kilometern erstaunt, wie gut die Radwege hier ausgebaut sind und vor allem gut ausgeschildert. Wir genossen den herrlichen Sonnenuntergang und das Licht der goldenen Stunde, das alles in der feuchten Luft einfach traumhaft aussehen ließ.

Traumhafter Sonnenuntergang als Entschädigung für den Regen
Größtenteils wirklich hervorragende Radwege auf unser Ersten Etappe

Ich saß also vorne, Nico hinter mir und Andreas auf dem Fahrrad von Nico.

Mit Nico aus Wien auf dem Tastdem

Vorbei an einem Atomkraftwerk, kleinen Orten und unzähligen Anglern ging es die ersten Kilometer bei durchschnittlichen 17 km/h entspannt entlang.

Schnell stellt sich heraus, dass die Gewichtsverteilung des Hängers alles andere als optimal war, denn bei jeder kleinen Bodenwelle begann er zu hüpfen und zu schlingern, was sich alles andere als gut anfühlte. Also verstauten wir den Technikkoffer erst einmal vorne neben dem Klavier und stellten den anderen Koffer hochkant, damit der Schwerpunkt etwas mehr nach vorne kam und mehr Druck auf das vorderste Rad des Anhängers ausgeübt würde. Leider ist diese Variante überhaupt nicht in unserem Interesse, da die ganze Ästhetik verloren geht und das Verstauen des einen Koffers dadurch auch vollkommen unpraktikabel ist. Morgen denken wir weiter nach, wie wir das Problem lösen, denn nach dem Umräumen war das Fahrgefühl um Welten besser und wir konnten auch mal etwas größere Huckel ohne Probleme überfahren. Ohne das Umbauen währen dann auch ein paar folgende Abschnitte nicht denkbar gewesen.

Herausforderung pur: In der Nacht durch riesige Pfützen und Huckel mit über 200 kg im Gepäck fahren

Es wurde immer dunkler und bald sahen wir nur noch das, was vor unseren Fahrradlampen war.

Tastdem fahren bei Nacht

Letztendlich haben wir neben guten Gesprächen und schlaglochreichen Abschnitten noch ganze fünfzig Kilometer geschafft. Natürlich wieder mal nicht das, was wir uns vorgenommen hatten, aber dennoch respektabel. Nico erwies sich als schon viel gereister, junger Mann, der schon ein paar Flüsse und so einige tausend Kilometer mit dem Rad zurückgelegt hat. Er war auch einer der ersten, der bei der Beschreibung unseres Projekts meinte: „Das schafft ihr doch locker“ Er hätte in Wien schon einige Umzüge mit dem Lastenrad gefahren und wir würden das rocken. Wir werden ihn hoffentlich noch einmal auf der Tour treffen.

Nico und Andreas schlafen bereits und über das Schreiben ist es bereits 1:45 Uhr geworden und auch mir fallen die Augen zu. Zuletzt haben wir übrigens sogar noch eine Sternschnuppe gesehen, die genau in die zu fahrende Richtung flog. Wenn das mal kein gutes Omen ist für die Reise. Gute Nacht allerseits und schlaft gut, euer Julian.

Bei Nacht durch kleine Ortschaften, ein schöner Anblick!